Kalkulation der Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Folgenabschätzung: Puten-Pläne der Bundesregierung machen heimisches Fleisch fast unbezahlbar und torpedieren Tierwohl-Fortschritte / Massive Mehrkosten in der Fleischproduktion
Berlin | 06.03.2023
Die Bundesregierung will im nationalen Alleingang die Besatzdichten in deutschen Putenställen drastisch reduzieren. Eine Berechnung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zeigt: Damit macht sie deutsches Putenfleisch für viele Verbraucher unbezahlbar, treibt heimische Produzenten in die Pleite und heizt minderwertige Importe an. Dabei fordert die Bevölkerung in einer Umfrage klar: Die Politik soll sie vor Billig-Fleischimporten schützen!
Die Folgen der geplanten gesetzlichen Haltungsanforderungen für die Putenmast werden deutsche Verbraucher schmerzhaft zu spüren bekommen. Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat berechnet: Der Preis für die beliebte Putenbrust steigt bei Umsetzung der Pläne um bis zu 2,40 Euro pro Kilo. Dabei gehört Putenfleisch, beispielsweise Schnitzel, laut Marktforschungsinstitut GfK mit einem Monatsdurchschnittspreis von fast 11 Euro pro Kilo (Stand Dez. 22) seit längerem zu den hochpreisigen Fleischgerichten. Das liegt vor allem daran, dass heimische Betriebe mit den „Bundeseinheitlichen Eckwerten“ sowie den Anforderungen der Initiative Tierwohl (ITW) freiwillig zu Tierwohl-Standards produzieren, die zu den höchsten weltweit zählen und entsprechend hohe Erzeugungskosten verursachen.
Das Eckpunktepapier des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) sieht demgegenüber nochmals drastisch reduzierte Besatzdichten von 35 beziehungsweise 40 Kilogramm Lebendgewicht pro Quadratmeter verfügbarer Fläche vor. „Damit setzt die Politik aufs Spiel, was unsere Produzenten für Tierwohl und Nachhaltigkeit erreicht haben“, sagt Bettina Gräfin von Spee, Vorsitzende des Verband Deutscher Putenerzeuger (VDP) und Präsidiumsmitglied beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG). „So wird die Versorgung der Bevölkerung mit einem hochwertigen Lebensmittel aus verantwortungsvoller heimischer Produktion gefährdet!“
Massive Mehrkosten in der Produktion – Deutsche Betriebe vor dem Aus
Die zusätzlichen Auflagen würden heimisches Tierwohl-Fleisch nicht nur endgültig zum Luxusgut machen, sondern das Aus für die heimische Putenhaltung bedeuten: Laut Landwirtschaftskammer drohen einem durchschnittlich großen Betrieb infolge der direkten und indirekten Mehrkosten durch die BMEL-Pläne rund 61.000 Euro Verlust pro Mastdurchgang bei Hähnen und rund 35.000 Euro Verlust bei Hennen (die genaue Kalkulation entnehmen Sie bitte der Anlage 1). Schon heute bleibt den Produzenten pro Mastdurchgang nicht viel Ertrag: Bei Hähnen sind es durchschnittlich rund 4500 Euro, bei Hennen rund 560 Euro. „Ein solches Verlustgeschäft hält kein Betrieb lange durch – und von Investitionen in noch mehr Tierwohl kann dann erst recht keine Rede mehr sein“, sagt VDP-Vorsitzende von Spee. „Stattdessen landet auf deutschen Tellern noch mehr Putenfleisch ausländischer Billigimporteure, die häufig unter schlechteren Haltungsbedingungen produzieren.“ Bereits seit 2012 nehmen die Putenfleischeinfuhren deutlich zu, Deutschlands schärfste Wettbewerber sind derzeit Polen, Italien und Spanien. In Polen gilt eine einheitliche Besatzdichte von 57 Kilogramm, in Italien und Spanien gibt es keine spezifischen Regelungen.
Repräsentative Umfrage: Politik soll Billigimporte verhindern – EU-weite Haltungsstandards gefordert
Dass die Regierung Politik gegen den Willen der Verbraucher betreibt, zeigt auch eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag des VDP: Darin sprechen sich acht von zehn Befragten dafür aus, dass die Bundesregierung sich in der Putenmast für gleiche Tierwohl-Standards innerhalb der EU einsetzt. Fast ebenso viele Befragte (76 Prozent) erwarten von der Politik, dass sie heimische Bevölkerung vor Fleischimporten unklarer Haltungsstandards schützt. Beim Kauf von Putenfleisch ist rund 44 Prozent der Befragten die regionale Herkunft des Fleisches wichtig (Grafiken finden Sie in der Anlage 2).
Der VDP fordert die deutsche Regierung auf, diesen Verbraucherwünschen Geltung zu verschaffen und sich für EU-weite Standards in der Putenhaltung, orientiert an den bewährten deutschen Besatzdichten, einzusetzen. Nur fairer Wettbewerb gewährleistet eine zukunftsfeste heimische Produktion und die Versorgung Deutschlands mit verantwortungsvoll produziertem Geflügelfleisch. VDP-Vorsitzende von Spee: „Die Tierwohl-Verantwortung deutscher Politik endet nicht an unseren Landesgrenzen!“
Über den ZDG
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e. V. vertritt als berufsständische Dach- und Spitzenorganisation die Interessen der deutschen Geflügelwirtschaft auf Bundes- und EU-Ebene gegenüber politischen, amtlichen sowie berufsständischen Organisationen, der Öffentlichkeit und dem Ausland. Die rund 8.000 Mitglieder sind in Bundes- und Landesverbänden organisiert.
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